Klein Holland im Norden
Die Holländerstadt Friedrichstadt könnte genausogut auch in Holland liegen. Tut sie aber nicht, denn Friedrichstadt liegt oben im Norden in Schleswig-Holstein, in Nordfriesland. Die Stadt Friedrichstadt wurde 1621 von holländischen Religionsflüchtlingen gegründet. Herzog Friedrich III von Schleswig-Gottorf brauchte Siedler, die sich auf Entwässerung und Landgewinnung verstanden. Gleichzeitig mussten damals viele Holländer wegen ihres Glaubens aus den Niederlanden flüchten. In Friedrichstadt, 1621 als neue Stadt mit Religionsfreiheit gegründet, fanden sie eine neue Heimat.
Die hübschen kleinteiligen Häuser in der Holländerstadt Friedrichstadt mit den steilen Treppengiebeln und die malerischen Gassen versetzen die Besucher auch heute noch in eine holländische Kleinstadt. Sogar eine Grachtenrundfahrt können Sie unternehmen.
Friedrichstadt ist die Stadt mit den vielen Namen. Lange Zeit dänisch, hieß sie damals Frederiksstad. Auf nordfriesisch wird sie Fräärstää genannt und auf plattdeutsch heißt sie Friesstad. Die Niederländer nennen sie Frederikstad aan de Eider, da sie zwischen den Flüssen Eider und Treene in Nordfriesland liegt.
Holländerstadt Friedrichstadt
Anfangs sollte Friedrichstadt ein starker Handelshafen an der Nordsee werden. Zu der Zeit waren die Niederländer nicht nur führend im Bau von Entwässerungsanlagen und Küstenschutz, sondern zugleich auch erfahrene Händler. Gleichzeitig wurden damals viele Religionsgemeinschaften in den Niederlanden streng verfolgt. Die Chance, der Verfolgung zu entgehen und trotzdem in einer neuen aber typischen Holländerstadt auf ihre gewohnte Weise weiter zu leben, ließen sich viele niederländische Bürger nicht entgehen. 1621 kam es zur planmäßigen Gründung der Stadt mit vorwiegend rechtwinkligem Grundriss, Grachten durch den Ort und Häusern im Stil der niederländischen Backsteinrenaissance mit teilweise aus Holland eingeführten Ziegeln und anderen Baumaterialien.
Grachtenfahrt in Friedrichstadt
Um das flache Land der Eider-Treene-Niederung vor Überflutungen durch Regen- und Flusswasser zu schützen, legten die holländischen Baumeister Gräben zur Entwässerung, als Trinkwasserreservoir und Transportweg an. Dank dieser Grachten und Sielzüge liegt die Innenstadt auf einer künstlichen Insel und ist über Auto- und zierliche Fußgängerbrücken erreichbar.
Zwei Reedereien bieten einstündige Grachtentouren rund um die Holländerstadt in offenen und überdachten Booten an, die Passagierinnen und Passagiere erfahren dabei allerlei Wissenswertes und auch Kurioses. Wer die Wasserwege in Eigenregie erkunden will, findet auch Anbieter für Motor- und E-Boote, Kanus und Stand-up-Paddling.
Stadt der Toleranz
Tatsächlich waren die Erbauerinnen und Erbauer von Friedrichstadt religiös verfolgte Holländerinnen und Holländer. Friedrich III. von Schleswig-Gottorf hatte diese im 17. Jahrhundert in sein Herzogtum geholt, hatte ihnen Glaubensfreiheit zugesichert – und ließ sich von ihnen als Gegenleistung an der Mündung des Nebenflusses Treene in die Eider eine Handels- und Hafenstadt errichten.
Dadurch, dass mehrere Religionsgemeinschaften unter dem Schutz Herzog Friedrich III zusammenfanden und friedlich nebeneinander her zusammenleben sollten, entstand eine tolerante Gesellschaft. Niemand wollte die Religionsfreiheit gefährden. Noch heute sind fünf Religionsgemeinschaften in der Holländerstadt aktiv, jede mit eigenen Gebetsräumen. Da sind die deutschen und die dänischen Lutheraner, die Remonstranten, die Mennoniten und eine katholische Gemeinde.
Allerdings gab es auch Gemeinschaften wie die Unitarier, einer Gruppe polnischer Gläubige, denen keine Toleranz gewährt wurde. Auch die Gemeinde der Friedrichstädter Quäker, die sich in den 1660er Jahren bildete, erlangte eine gewisse Bedeutung. Doch schon fünfzig Jahre später wurde sie mangels Mitglieder aufgelöst.
Jüdische Gemeinde: Um weitere Einwohner für seine Stadt zu gewinnen, warb Friedrich auch deutsche Juden an. Etwa 100 Jahre bildete die jüdische Gemeinde die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Friedrichstadt und war eine der größten jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holsteins und Dänemarks. Doch nahm die Zahl ständig ab und der Nationalsozialismus beendete das jüdische Leben in Friedrichstadt endgültig.
Auffällig ist das Fehlen einer großen zentralen Kirche am Markt. Da die Siedler verschiedenen Glaubensgemeinschaften angehörten, bauten sie ihre Gotteshäuser über die ganze Stadt verteilt.
Klein Holland in Schleswig-Holstein
Im September 1621 wurde mit dem Bau des ersten Hauses im zukünftigen Friedrichstadt begonnen. Bauherr war der Mennonit Willem van den Hove, einer der ersten Siedler. Er vertrat den Herzog in der Stadt. Im übrigen wurde den niederländischen Bürgern zugesichert, die Verwaltung nach dem Vorbild von Leiden und Amsterdam aufzubauen. Niederländisch war Amtssprache in der Holländerstadt.
Schon 1625 war die südliche Hälfte der Stadt mit dem Marktplatz fertiggestellt. Die etwa 17 Hektar große Planstadt ist anhand eines Schachbrettmusters gestaltet.
Der ältere, von der holländischen Backsteinrenaissance geprägte Teil der Stadt wird von zwei Grachten durchzogen.
Der Marktplatz befindet sich direkt am Mittelburggraben, die wichtigste Einkaufsstraße ist die als Fußgängerzone gestaltete Prinzenstraße, die vom Fürstenburggraben zum Marktplatz führt.
Die Häuser aus den Gründungstagen der Stadt sind mit aus Holland eingeführten Baumaterialien von holländischen Baumeistern gebaut. Aus den Niederlanden wurden neben den Moppen, das sind die holländischen, etwas kleineren als die gewöhnlichen deutschen Backsteine, auch fertige Sandsteingiebel, Pfeiler für die Kamine, gelbe und grüne Kacheln und selbst Bretter importiert.
Auffallendes Merkmal vieler Bauten sind die Hausmarken oder Gevelstene, oft farbig gefasste Reliefs über der Eingangstür, die einen Hinweis auf die ehemaligen Erbauer oder Bewohner geben und oft noch aus der Zeit der Stadtgründung stammen.
Sehenswürdigkeiten in Friedrichstadt – Rundgang
Für einen Besuch in Friedrichstadt parken Sie am besten auf dem großen Parkplatz an der B202. Von dort geht es direkt über die Gracht in die Altstadt. Übrigens starten hier auch die Grachtenfahrten.
Katholische Kirche St. Knud
Nach mehrmaligem Umzug zog die katholische Gemeinde 1854 in die eigene St.-Knud-Kirche um. Heute sind die Kirchenbänke von 1760 und der Christuskörper von 1230 zu sehen. Allerdings wurde die Kirche 2003 profanisiert.
Katholiken wurden im damals lutherischen Herzogtum Schleswig-Gottorf nicht geduldet. Aber der Herzog hätte gern den Handel der Friedrichstädter mit Spanien gefördert und so gewährte er den römisch-katholischen Christen eine eingeschränkte Religionsfreiheit.
Damit wurde die katholische Gemeinde in Friedrichstadt zur ersten katholischen Gemeinde Schleswig-Holsteins seit der Reformation. Allerdings durfte ihre Kirche keinen Turm besitzen und Gottesdienste durften nicht in der Öffentlichkeit gefeiert werden.
Die Remonstrantenkirche
Nur die lutherische und die remonstrantische Kirche sind durch ihren Turm schon von weitem als Kirche in Friedrichstadt. Die anderen Kirchengebäude durften nicht höher als die Nachbarhäuser gebaut werden. Die Remonstrantenkirche wurde von 1852 bis 1854 in barock-spätklassizistischem Stil wiedererrichtet. Innen wurde sie dem remonstrantischen Glauben entsprechend schlicht gehalten. Es gibt auch keinen Altar.
Die Religionsgemeinschaft der Remonstranten spaltete sich von der reformierten Kirche in den Niederlanden ab und wurde von den strengeren Calvinisten verfolgt. Da ihre Mitglieder vor allem Händler waren, galt ihre Gemeinde als wohlhabend und einflussreich. Ihr Kirchengebäude in Friedrichstadt war das erste Kirchengebäude der Remonstranten überhaupt, ihre Gemeinde ist heute die einzige außerhalb der Niederlande. Zu den zwölfmal im Jahr stattfindenden Gottesdiensten kommt ein Prediger aus den Niederlanden.
Doppelgiebelhaus in der Prinzenstraße
Das Doppelgiebelhaus in der Prinzenstraße hat noch weitgehend seine ursprüngliche Form und sein Aussehen erhalten. Das älteste Geschäftshaus in der Holländerstadt Friedrichstadt, Baujahr 1624, beherbergt heute ein Fachgeschäft für allerlei Stoffe, Accessoires und Kleidungsstücke der Schneidermeisterin Claudia Kleta.
Paludanushaus
Das prächtige fünfachsige Giebelhaus von 1637 mit der auffallenden Rokokotür trägt seit 1840 einen Barockgiebel. Hier trifft sich die dänische Gemeinschaft von Friedrichstadt.
Edamerhaus
Das „Edamerhaus“ soll an ein Gebäude in Edam erinnern und vielleicht wurde hier sogar einmal Käse erzeugt.
Marktplatz
Der Marktplatz von Friedrichstadt ist zweigeteilt. Während er auf der Westseite gepflastert ist, wurde die Ostseite schon Anfang des 18. Jhdts. begrünt. Die Reihe von Eisenstangen dazwischen stammt noch aus der Zeit des Pferdemarkts. Hier konnten die Tiere angebunden werden.
Die neun Treppengiebelhäuser an der Westseite stammen aus der Gründerzeit der Stadt. Wie typische holländische Häuser wurden auch diese hoch und schmal gebaut.
Historische Marktpumpe
Sie entstand zwar erst 1879, und doch ist die historische Marktpumpe auf dem Marktplatz eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Friedrichstadt. Sie war ein Geschenk des Architekten Heinrich Rohardt an die Stadt. Der Brunnen diente als Tränke für die Pferde auf dem bis in die Mitte des 20. Jhdts. stattfindenden Pferdemärkte.
Lutherische Kirche St.-Christophorus
Die St.-Christophorus-Kirche in Friedrichstadt ist die zweite Kirche in der Stadt mit Turm. 1649 wurde die Kirche nach niederländischem Vorbild fertiggestellt. Sehenswert das Altargemälde, das der Hofmaler Friedrich III., Jürgens Ovens, stiftete. Er war ein Schüler Rembrandts und wohnte in Friedrichstadt.
Die Lutheraner – die meisten zogen aus dem Umland in die Stadt – bildeten zwar die größte Gemeinde in Friedrichstadt, sie gehörten aber eher zur ärmeren Unterschicht. So konnten sie erst 1643 den Bau ihrer eigenen St.-Christophorus-Kirche beginnen.
Alte Münze – Mennonitenkirche
Im Jahr 1708 kaufte die Gemeinde der Mennoniten die Alte Münze und richtete ihre Kirche ein, ohne Turm und mit äußerst schlichter Innenausstattung. Im Innenhof zeugen zahlreiche Grabsteine auf dem Mennonitenfriedhof von der frühen Geschichte Friedrichstadts.
Etwa 30 Mitglieder zählt heute noch die Gemeinde der Mennoniten in Friedrichstadt, die dreimal im Jahr einen Gottesdienst feiert, wozu ein Pfarrer aus Hamburg kommt. Früher waren es zeitweilig fast 400 Gläubige.
Museen
Museum für Friedrichstädter Geschichte
Seit 1997 ist in der Alten Münze das Museum für Friedrichstädter Geschichte untergebracht. Ein Blick in den benachbarten mennonitischen Betsaal wird gewährt, hauptsächlich berichtet das Museum über die Stadtgeschichte und ihre multireligiöse Ausrichtung. Wechselnde Ausstellungen stellen auch Bilder einheimischer Künstler vor.
Museum „Alte Münze“
Am Mittelburgwall 23
www.friedrichstadt.de/die-stadt-entdecken/kunst-kultur/museen/museum-alte-muenze
Tischlereimuseum
Das Tischlereimuseum zeigt die ehemalige Werkstatt des Tischlermeisters Jacob Hansen im Zustand der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.
Tischlereimuseum Friedrichstadt
Ostermarktstraße 15
25840 Friedrichstadt
www.friedrichstadt.de/die-stadt-entdecken/kunst-kultur/museen/tischlereimuseum
Modellbahnzauber Friedrichstadt
Schleswig-Holsteins größte Modellbahn-Schauanlage, eine Miniaturwelt mit Zügen, Bussen, einem Konzert, einem Rummel mit Riesenrad und vielem mehr.
Modellbahnzauber Friedrichstadt
Brückenstraße 18
25840 Friedrichstadt
www.mobaza.de